
(Near-Real-Time) Entscheidungen in einem agilen Umfeld
Interview mit Edy Portmann
Was versteht man unter dem Begriff «Smart City»? Gibt es in der Schweiz konkrete Beispiele hierfür?
Die Grundidee von Smart City ist, dass Informations- und Kommunikationstechnologien für eine nachhaltigere soziale und ökologische Gestaltung des städtischen Raumes nutzbar gemacht werden können. Ermöglicht wird dies durch die effiziente Sammlung, Auswertung und Nutzung städtischer Daten mittels internet- und webbasierter Services. Das betrifft ganz unterschiedliche Bereiche des städtischen Lebens, etwa Verkehr und Mobilität, Umwelt- und Klimaschutz sowie die Bereitstellung von Dienstleistungen der städtischen Verwaltung. Dies klingt zunächst einmal vor allem nach Effizienzsteigerung, was in der Tat ein zentrales Thema für die smarte Stadt ist. Diese darf jedoch nicht zum Selbstzweck werden: Smart City zielt letztlich darauf, die Bürgerinnen und Bürger dabei zu unterstützen, ihre Stadt als lebenswerten Ort zu erhalten.
Das Thema Smart City ist überall in der Schweiz angekommen. Das zeigen Initiativen wie der Smart City Hub oder das Wolf Areal in Basel. Auch gibt es in immer mehr Städten Smart City-Officers, wie etwa in Bern, St. Gallen und Zürich. Zürich hat dazu zudem kürzlich eine eigene, sehr interessante Smart City-Strategie lanciert. Generell nimmt St. Gallen eine gewisse Vorreiterrolle ein, weil sich die Stadt als eine der ersten intensiv mit den Möglichkeiten von Smart City-Initiativen auseinandergesetzt hat. Aber andere Städte haben hier mittlerweile nachgezogen und positionieren sich ebenfalls in dem Bereich.
Immer wieder kann man von Unfällen selbstfahrender Autos lesen. Es stellt sich die Frage, inwiefern wir die stetig zunehmende Technologisierung beherrschen können. Welche potenziellen Risiken gehen mit Smart Cities einher?
Smarte Städte sind von funktionierenden Dateninfrastrukturen abhängig. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Frage gestellt, ob bei einem Totalausfall dieser Infrastrukturen die gesamte Stadt zusammenbrechen könnte, da die entsprechenden Systeme schon heute sehr viele, auch sensible Bereiche berühren. Diese Sorge sollte man ernst nehmen, das Problem jedoch nicht überbewerten. Aber natürlich bedarf es angemessener Notfallszenarien und Backup-Systeme, was ja auch bei «analogen» Infrastrukturen der Fall ist.
Grössere Sorge bereitet mir eher etwas anderes: Städte sind schon heute Drehscheiben der Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. Die smarte Stadt beruht wesentlich auf der grossen Wissensorientierung und -kompetenz weiter Teile der Bevölkerung. Die Menschen müssen in der Lage sein, sich relativ frei im Internet- und Webumfeld zu bewegen, und sie müssen Zugang zu, sowie Interesse an Wissen/Bildung haben. Das trifft aus den unterschiedlichsten Gründen jedoch nicht auf alle Bürgerinnen und Bürger zu. Diese Menschen zu integrieren, ist meines Erachtens eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
Ein anderer Punkt, der viele Menschen und auch mich als Wissenschaftler beschäftigt, sind Datensicherheit und der Schutz der Privatsphäre. Nun ist es zwar ausdrücklich nicht das Ziel von Smart City, den «gläsernen Bürger» zu schaffen. Doch es bleibt die Tatsache bestehen, dass es für den Bürger zunehmend schwieriger wird, den Zugriff auf ihn betreffende Daten zu kontrollieren. Hier müssen wir technische Lösungen finden, damit die Bürger beides bekommen: Das beste der smarten Stadt ebenso wie Datensicherheit und Privatsphäre.
In Ihrem Vortrag ziehen Sie Parallelen zwischen DevOps-Teams und Smart Cities. Wer sind die Entwickler von Smart Cities? Wie agil ist die Entwicklung dieser intelligenten Städte?
Der bekannte Smart City-Forscher Boyd Cohen hat ein 3-Generationenmodell der Smart City entwickelt, das genau auf die Frage nach den Treibern von Smart City abzielt. Lange Zeit wurde Smart City vor allem technologisch interpretiert: zunächst «technology-driven» von Grossanbietern, die ihre Smart City-Lösungen verkaufen wollten, dann «city-led» von städtischen Verwaltungen, die Probleme mit Smart City-Ansätzen top-down zu lösen versuchten. Hier hat mittlerweile ein Umdenken stattgefunden: Neueste Entwicklungsschwerpunkte im Bereich Smart City fokussieren zunehmend auf die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen. Im Sinne von «citizen co-creation» sollen Einwohner, Nutzer und Interessengruppen ihre Lebenswelt mitgestalten können.
Schlussendlich hängt es von der jeweiligen Herausforderung ab, ob eine Lösung der ersten, zweiten oder dritten Generation oder auch einer Kombination daraus zum Zuge kommt. Es können also in einer Stadt alle drei Generationen der Smart City greifbar sein. Ihre Entwicklung könnte insgesamt agiler verlaufen. Insbesondere Generation 3-Initiativen bietet hierzu gute Anknüpfungspunkte, um im stetigen Austausch von Nutzern und Entwicklern Lösungen für die Herausforderungen moderner Städte zu finden, bei denen der Mensch im Zentrum steht.
Für wen eignet sich Ihr Vortrag an der DevOps Fusion?
Der Vortrag fokussiert weniger auf Technik, sondern eher auf Organisation. Er eignet sich daher für alle, die am Thema Smart City interessiert sind, und insbesondere auch für transdisziplinäre Geschäfts- und Softwareentwickler.
Mehr zum Talk von Edy Portmann an der DevOps Fusion 2019 erfahren Sie hier:
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